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Norbert Baumgärtner ist seit 50 Jahren in seinem Pfarrgemeinderat aktiv

 

Mit gerade einmal 22 Jahren wurde Norbert Baumgärtner am 16. März 1969 in den Pfarrgemeinderat von Herz Jesu in Wiesbaden-Sonnenberg gewählt. Damit gehörte er zu den Laien der ersten Stunde, die dieses nach dem Konzil neue Gremium bilden konnten. 50 Jahre später ist er immer noch dabei, inzwischen in der Großpfarrei St. Birgid.

In Norbert Baumgärtners Wohnung nahe des Wiesbadener Kurparks hängt ein großes Bild, zusammengesetzt aus vielen kleinen Fotos. Baumgärtner hat es vor sechs Jahren von seinem PGR-Team geschenkt bekommen, als er genau 44 Jahre dem Rat angehörte. Es ist ein Mosaik aus den vielen schönen Momenten, die er in all den Jahren in seinem Ehrenamt erleben konnte.
An ein „Mosaiksteinchen“ im Bild seines persönlichen Glaubens erinnert Norbert Baumgärtner sich noch ganz genau, auch wenn es auf dem großen Foto nicht festgehalten ist: Es war der Tag seiner Erstkommunion, als ihm eine Ordensschwester ein kleines Andachtsbild schenkte. Darauf stand zu lesen: 'Bleib deinem Heiland ein Leben lang treu.' „Dieser Satz hat mich begleitet“, sagt Baumgärtner – der 1954 freilich noch nicht wissen konnte, wie sehr er sich den Satz aneignen würde.

Verantwortung für junge Leute

Vor allem Mutter und Großmutter hatten ihn seit der Kindheit oft mit zur Kirche genommen. Dass er als Jugendlicher dabei blieb, hatte mit dem „Glücksfall“ zu tun, dass mit Heinrich Vad 1959 ein junger, engagierter Pfarrer die Gemeinde übernahm. „Er hat uns ermöglicht, einen eigenen Jugendraum zu gestalten, das gab es bis dahin gar nicht“, erinnert sich Baumgärtner. Vad ermutigte die aktiven Jugendlichen, ließ sie Verantwortung übernehmen. So leitete Norbert Baumgärtner ab 1962 mit 16 Jahren die Jungschar der Pfarrei. Seine erste Amtshandlung war es, diese mit der Frohschar der Mädchen zusammenzulegen. Vad ließ ihn gewähren, auch wenn der Schritt damals nicht allen Eltern gefiel. Auch als er Vortragsreihen über Verhütungsmittel im Wiesbadener Roncalli-Haus organisierte, legte ihm niemand Steine in den Weg. Dieses gewachsene Vertrauen, mitgestalten zu dürfen und Verantwortung zu übernehmen, hielt Norbert Baumgärtner „bei der Stange“, wie er sagt. Und so erschien es nur folgerichtig, dass er sich auf Vads Vorschlag für die Wahl zum neuen Pfarrgemeinderat aufstellen ließ. Seit dem 16. März 1969 gehört er ohne Unterbrechung dem Pfarrgemeinderat an. Das sei schon ein besonderes Gefühl gewesen, sagt der 72-Jährige, der als Seniorchef mit seiner Tochter eine Hausverwaltung leitet. „Bis zu dieser Wahl gab es zwar auch schon Ausschüsse in den Pfarreien, aber sie wurden vom Pfarrer und nicht vom Kirchenvolk gewählt und hatten kaum Gestaltungsmöglichkeiten.“ Fast 40 seiner PGR-50 Jahre hat er als Vorsitzender des Rates gewirkt. Zur neuen Amtsperiode ab diesem November wird er jedoch „nur noch“ als Ehrenmitglied dabei sein.

Großpfarrei als Chance

Vieles hat sich gewandelt in dem halben Jahrhundert. „Bis 2014 hatten wir 27 katholische Pfarreien in Wiesbaden, jetzt sind es drei Großpfarreien“, berichtet er. Die Sonnenberger Herz-Jesu-Kirche ist nun ein Kirchort des Bereichs „Ost“ mit der Kirche Sankt Birgid als Zentrum. Dass es so gekommen ist, bedauert Norbert Baumgärtner kaum. Viel mehr sieht er Chancen: „Es ist durch die Veränderungen eben noch wichtiger geworden, dass wir als Kirche zu den Menschen gehen und nicht warten, dass sie zu uns kommen“, meint er. So begrüßt er die Idee des aktuellen Pfarrers Frank Schindling, in Bierstadt ein „Irish Pub“ von der Gemeinde einzurichten. „Unser Pfarrer kocht dort regelmäßig für die jungen Leute. Da kommen dann Menschen, die gehen sonst nie in die Kirche. Aber dort kommen sie mit unserer Pfarrei in Kontakt.“ Seit September ist die Pfarrei St. Birgid mit einem zum Kaffeemobil umgebauten Moped auf den Wiesbadener Plätzen unterwegs – auch hier mit dem Ziel, unkompliziert ins Gespräch zu kommen. Das gefällt dem ehemaligen PGR-Vorsitzenden, hat er sich doch selbst immer für eine Kirche eingesetzt, die auch das Gesellige fördert. „Bis heute gehen wir nach jeder Sitzung des Rates zum gemütlichen Teil über und sonntags bieten wir nach der Messe vor der Kirche die Nachlese an.“ Das ist ein Gläschen Apfelwein mit einem Schuss Sekt, bei dem man miteinander ins Gespräch kommt, anstatt gleich wieder nach Hause zu gehen. „Es war im Pfarrgemeinderat immer ein tolerantes Miteinander“, berichtet Baumgärtner, der es als aktiver Tennis- und Golfspieler eine Zeit lang nicht immer pünktlich zum Gottesdienst schaffte, dafür aber „nie schief angesehen wurde.“
Froh war und ist der PGR-Jubilar auch über die Unterstützung seiner Familie, „denn sonst hätte ich mich in der Pfarrei nicht so einbringen können.“ 1977 traute Pfarrer Vad ihn und seine Ehefrau Michaela, die für ihn von evangelischen zum katholischen Glauben konvertierte und sich bis heute um den Blumenschmuck in der Herz Jesu Kirche kümmert. Norbert Baumgärtner ist auch als Lektor und Kommunionhelfer im Einsatz.

Wenn er jetzt zurückblickt, ist er „dankbar, dass wir immer ein gutes Team gehabt haben. Durch die Arbeit im Pfarrgemeinderat sind viele Freundschaften entstanden.“ Sieht er es in diesen Zeiten als Aufgabe eines Pfarrgemeinderates an, sich lautstark für mehr Gleichberechtigung und moderne Strukturen in der katholischen Kirche einzusetzen? Nein, ein Revolutionär ist Baumgärtner nicht. „Dafür, dass Pfarrer heiraten und Frauen endlich geweiht werden dürfen, müssen wir verbal stehen. Mehr können wir nicht machen.“ Wegen dieser Streitpunkte auszutreten, darin sieht Baumgärtner keinen Sinn: „Damit hat man nichts erreicht.“ Lieber möchte er in seinem Rahmen noch mitgestalten: „Nur meckern ist nicht, mitmachen muss man.“

 

Dieser Artikel erschien am 10. November 2019 in den rheinhessischen Kirchenzeitungen unter dem Titel "Nur meckern ist nicht, mitmachen muss man".

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