Beate Berdel-Mantz ist Gendertrainerin und aktiv bei Maria 2.0 in Nieder-Olm. Im Interview für das neue Magazin der Bewegung habe ich mit ihr über ihr Selbstverständnis als Frau in der katholischen Kirche gesprochen und warum sie bei Maria 2.0 mitmacht.
Sie haben in den 1970er-Jahren in Mainz katholische Theologie
studiert - damals war das Konzil mit all seinen Hoffnungen noch frisch im
Gedächtnis. Haben Sie damals geglaubt, dass Verbesserungen in der Kirche
für Frauen rascher vorankommen?
Ja, auf jeden Fall. Und es war gut, dass ich damals noch nicht wusste, dass wir heute immer noch an derselben Stelle stehen. Ich wollte schon seit der zehnten Klasse Pastoralreferentin werden. Damals war ich sehr aktiv in der Jugendarbeit, auch noch als junge Erwachsene. So war ich bei Kolping etwa einige Jahre die jüngste Diözesanleiterin und später vier Jahre Bundesleiterin, das war in den 1970er-Jahren schon etwas Seltenes. Kolping hat ja erst 1966 Frauen überhaupt zugelassen. Im Rückblick kann ich sagen, dass ich immer feministisch geprägt und gleichzeitig eine gläubige Frau war. Beides, und die Aufbruchstimmung des Konzils, hat mich in dieser Zeit angetrieben.
(Ich bin allerdings sehenden Auges in den Beruf gegangen und wusste, dass ich mit meiner Haltung auch anecken würde. Mit meiner ersten Stelle in Sörgenloch, das zu Nieder-Olm gehört, hatte ich dann Glück. Der dortige Pfarrer Norbert Pfaff war sehr konzilsgeprägt, er hatte kein Problem mit Laien und Frauen und konnte seinen Mitarbeitern gönnen, was sie geleistet haben. )
Trotzdem haben Sie den Beruf nach rund zehn Jahren aufgegeben…
Ja, denn nach der Geburt und Erziehungszeit meiner Tochter stand ich 1995 an einem Scheideweg. Ich war gern Pastoralreferentin gewesen, aber ich natürlich hat mir meine Arbeit auch tagtäglich aufgezeigt, welche Grenzen es für mich als Frau dort gibt. Für alle möglichen Arbeiten war ich als Frau gut genug – aber das, was als das Wichtigste angesehen wurde, scheinbar nicht. So durfte ich etwa zwar die Taufkatechese übernehmen, aber natürlich niemals ein Kind taufen. Bei den Sakramenten war immer Schluss. Diese Ungerechtigkeit hat mir immer mehr zugesetzt. In meiner Pfarrei, mit einem liberalen Pfarrer und offenen Gemeindemitgliedern, war ja alles noch weitgehend in Ordnung. Doch die Regeln der Amtskirche und die Situation anderswo hat dieser Umstand ja nicht geändert. Darum wusste ich irgendwann, dass ich nicht mehr in einer Institution arbeiten will, die mich als Frau nicht vollwertig akzeptiert und anerkennt. 1995 habe ich mich als Supervisorin und Trainerin selbständig gemacht.
Was glauben Sie, woran es liegt, dass grade jetzt eine Initiative wie
Maria 2.0 einen Nerv in der Gesellschaft trifft und viele weibliche und
auch männliche Unterstützer findet?
Ich glaube, das hat vielfältige Gründe. Zum Beispiel, dass die katholische Kirche durch den Missbrauchsskandal derartig an Glaubwürdigkeit eingebüßt hat. Viele Menschen sind einfach nicht mehr bereit, sich von dieser Institution etwas sagen und eingrenzen zu lassen. Wenn wir genauer hinschauen, dann sehen wir ja, dass die junge Menschen und Familien ja eigentlich schon lange weg sind. Auch dieser Verlust, die Abkehr vieler Menschen in den letzten Jahren ist ein Grund.
Jetzt, auf dem Hintergrund des Skandals, kommen wir, die noch nicht raus sind aus der Kirche, die noch aktiv sind. Die, die sich im Freundes- und Bekanntenkreis immer wieder anhören müssen, warum sie da überhaupt noch mitmachen. Ich denke, viele sagen: „Jetzt reicht es einfach!“ Menschen, die sich teilweise ihr Leben lang engagiert und eingebracht haben, wollen diese Ungerechtigkeit nicht mehr hinnehmen und ertragen. Denn ihre ehrenamtliche Arbeit wird damit auch beschmutzt, in den Dreck gezogen.
Wann haben Sie von Maria 2.0 zum ersten Mal gehört? Waren Sie sofort
dabei?
Ich habe aus der Presse und Gesprächen davon erfahren und war sofort dabei. Inzwischen sage ich zu meinen Mitstreiterinnen bei der Nieder Olmer Maria 2.0-Gruppe: „Ihr habt mich aus der Gruft geholt“. Denn ich habe jung das Gefühl bekommen, mit meinen Gefühlen und Ansätzen für Geschlechtergerechtigkeit in der katholischen Kirche in der Warteschleife zu stecken. Und ein Stück weit habe ich es vielleicht innerlich auch abgehakt und aufgegeben. Maria 2.0 war wie eine Initialzündung für mich. In den 1970er und -80er Jahren, da hatten wir schon Aufbruchstimmung. Aber ich glaube, dass wir noch nie so nah an einer wirklichen Veränderung dran waren wie jetzt.
Es gibt gar nicht so weniger Priester und Bischöfe, die grundsätzlich
die Ansicht teilen, dass eine Gleichberechtigung innerhalb der
katholisch Kirche überfällig wäre. Warum machen die nicht den Mund auf? Was fürchten sie
Ihrer Meinung nach?
Die Angst ist da wohl entscheidend. Die katholische Kirche hat es in ihrer Geschichte leider immer wieder verstanden, die Menschen – auch jene,die für sie arbeiten – mit Angst unter Druck zu setzen. Vielleicht ist es bei den Bischöfen Angst vor Machtverlust, Angst vor Veränderung. Ich bin da ziemlich direkt, aber ich glaube manchmal, Mitren sind auch Geistsauger. Es gibt einige Bischöfe, die vor Antritt ihres hohen Amtes noch viel fortschrittlicher gesprochen haben. Und nun haben sie ihre Worte vergessen. Aber eigentlich haben sie doch nichts zu verlieren. Ich habe keine wirkliche Erklärung für ihr Verhalten.
Was würde es verändern, wenn Frauen tatsächlich Pfarrer werden dürften?
Wir wären mit einer Kirche konfrontiert, die Menschenrechte lebt und nicht nur darüber predigt. Wir hätten eine vielfältigere, buntere und freiere Kirche. Es würde einfach alles verändern.
Können Sie Argumente nachvollziehen, mit denen Frauen die Weihe zu Priesterinnen verweigert wird?
Nein. Das Argument, dass Jesus ja auch ein Mann war und männliche Apostel hatte, gilt für mich nicht. Dieser Umstand ist schlicht der Zeit geschuldet, in der Jesus gelebt hat. Das Christentum würde es heute nicht geben, wenn Jesus eine Frau gewesen wäre und sie Jüngerinnen berufen hätte!
Und der Hinweis darauf, dass man Traditionen bewahren müsse, ist für mich genauso abwegig. Es gibt dieses Wort: 'Wer Traditionen bewahren will, der muss die Flamme weitergeben, nicht die Asche bewahren.' Warum wollen wir denn, dass die Kirche sich verändert? Weil wir nicht wollen, dass sie in die Bedeutungslosigkeit abgleitet! Das ist doch das Herzensanliegen von allen, die bei Maria 2.0 mitmachen.
Die Welt brennt – es gibt 2020 so viele Kriege, ein Wiedererstarken der rechten Szene in Europa, Klimakatastrophen – wir werden als Christinnen und Christen wirklich gebraucht. Es macht mich darum wütend, dass wir grade so viel Energie in innerkirchliche Dinge stecken müssen, die doch eigentlich selbstverständlich sind. Weil die Amtskirche sich nicht bewegt. Das führt mich zu einem weiteren Argument, dass Gegner des Frauenpriestertums anführen: Nämlich, dass es ein deutsches Problem sei und man etwa in Afrika mit dem Status quo nicht unzufrieden sei. Aber in dem Moment, in dem die katholische Kirche eine so große Veränderung initiieren würde, in dem Moment, wo sie Frauen Gleichberechtigung zusprechen würde, könnte sie doch zu einem Vorbild für diese Welt werden – auch politisch und gesellschaftlich.
Zur Person:
Beate Berdel Mantz wurde 1959 geboren und wuchs in Neu-Isenburg auf. Zwischen 1984 und 1993 war sie Pastoralreferentin der Pfarrei Nieder-Olm bei Mainz. Seit 1995 ist die Supervisorin als Coach und Trainerin in der Erwachsenenbildung tätig. Sie vermittelt in ihren Seminaren Grundlagen der Geschlechtergerechtigkeit und hilft Firmen dabei, diese konkret umzusetzen. Neben dem Gendertraining gehören Gesprächsführungs- und Beratungskompetenz, sowie Konfliktmanagement zu ihren Schwerpunkten. Beate Berdel-Mantz ist unter anderem Lehrbeauftragte des Zentrums für wissenschaftliche Weiterbildung der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und an Volkshochschulen bundesweit. Seit 2019 engagiert sie sich bei Maria 2.0, etwa bei den monatlichen Demonstrationen unweit des Mainzer Doms.
Dieses Interview erschien am 27. Januar 2020 im Magazin "Maria 2.0" des Liborius Verlags.